Ein Buchhalter mischt die Beizenszene auf

Michel Péclard serviert in seinen Restaurants Erlebnisse. Auch nach 20 Jahren im Business gehen ihm die Ideen nicht aus. Sein nächstes Projekt ist ein spezielles Lokal, doch er träumt von einem Hotel.

Eigentlich wollte er Banker werden. Doch seine Mutter fand, er solle etwas Richtiges lernen. Also absolviert er eine Lehre als Buchhalter und entschied sich, in die Gastronomie einzusteigen – obwohl er weder eine Ahnung vom Kochen noch von Wein hatte. Die Rede ist von Michel Péclard (49), dem wohl bekanntesten Gastronomen Zürichs.

Auf die Idee, seine Ordner voll mit Bilanzen gegen Menükarten und Drinklisten einzutauschen, kam Péclard 1994 am «Züri Fäscht». Zusammen mit Freunden betrieb er dort einen Stand und ­verkaufte «Spiessli» en masse. Der Kilchberger kam auf den Geschmack und schrieb sich kurze Zeit später an der Hotelfachschule in Luzern ein.

Nach seinem Abschluss gründete Péclard 1998 sein erstes Restaurant, die «Pumpstation» an der Zürcher Seepromenade. Die dafür benötigten 150000 Franken erhielt er von der kleinen Brauerei Rosengarten in Einsiedeln (SZ). «Keine Bank wollte mir damals das Geld geben», sagt Péclard. Niemand glaubte daran, dass man die versprayte Location in eine Gartenbeiz umwandeln könne.

Lage, Lage und nochmals Lage

Heute ist die «Pumpi» eine der meistfrequentierten Gartenbeizen im Sommer. Sein Erfolgsrezept? «Man muss den Gästen ein Erlebnis bieten. Am besten an einem bescheidenen Ort, der mit hoher Qualität aufwartet», meint er. An dieses Credo hält sich der Unternehmer für jeden seiner 12 Betriebe. So gibt es etwa im «Coco» am Paradeplatz keine Weinkarte. Die Gäste suchen im Keller eine Flasche aus. Und im «Fischer’s Fritz», auf dem einzigen Campingplatz der Stadt Zürich, wird nicht etwa Rindsfilet serviert, sondern «Fischknusperli» oder «Pouletflügeli».

Ebenfalls durchsetzen konnte sich Péclard mit seiner Idee, rohes Gemüse (Crudités) statt Salat als Vorspeise anzubieten. «Als ich diesen Vorschlag meinen Köchen unterbreitete, fielen sie fast von den Stühlen», lacht Péclard. Alle hätten sich vehement dagegen gewehrt. «Doch bei den Gästen kommt dieser Gang sehr gut an.» Aber nicht nur bei seinen Köchen, sondern auch bei der Lage seiner Restaurants sorgt Péclard immer wieder für ungläubige Gesichter. «Viele haben mich gefragt, ob ich eigentlich spinne, als ich vor fünf Jahren bekannt gab, den Campingplatz in Wollishofen zu übernehmen.» Er würde damit nie Geld verdienen, waren sich die Kritiker sicher. «Stimmt nicht», entgegnet Péclard mit seinem kernigen Lachen. Seit der Übernahme habe sich der Umsatz für den ganzen Campingplatz versiebenfacht. Für ihn ist klar weshalb: «Gibt es einen perfekteren Ort als eine so schöne Location am See?»

Für die perfekte Inneneinrichtung lassen sich Péclard und sein Geschäftspartner Florian Weber (33) regelmässig im Ausland inspirieren. In den grossen Metropolen schauen sie sich gemeinsam nach Konzepten um, die vielleicht auch in Zürich auf Anklang stossen. Für den Umbau engagieren sie Bühnenbildner statt Architekten. Letztere gingen weniger auf die Bedürfnisse des Gastes ein und verrechneten für die gleiche Arbeit viel mehr, so Péclard.

Mitarbeiter sind erfolgsbeteiligt

Péclards Imperium, die Pumpstation Gastro GmbH, generierte 2016 einen Umsatz von 25 Millionen Franken. Zu den Lokalen gehören in Zürich beispielsweise das «Schober» (Niederdorf), die «Milchbar» (Kappelergasse), das «Rooftop» (Bahnhofstrasse) oder der «Kiosk» (Hafen Riesbach) sowie der «Mönchhof» in Kilchberg, das «Beach» und das «Portofino» in Thalwil oder der «Alpenblick» in Arosa.

Ein Teil des Erfolgs sieht Péclard neben guten Locations, feinem Essen und schönen Erlebnissen in seiner Lohnpolitik. Er bezahlt den rund 250 Angestellten kein fixes Salär, stattdessen lässt er sie am Ertrag teilhaben. So verdienen seine Servicemitarbeiter 9 Prozent des selbsterwirtschafteten Umsatzes. «Das ist mehr als der Mindestlohn und manchmal bis zu 8000 Franken», sagt der Patron. Seine lockere Haltung ist wohlkalkuliert. «Wenn man die interne Kommunikation durch Geiz oder Controlling unterbricht, ist dies kontraproduktiv.»

Darüber hinaus lädt er jedes Jahr das gesamte Kader für zehn Tage ins Ausland an einen bestimmten Ort ein. 2017 standen Nizza und Monaco auf dem Programm. «Der Event kostet mich 100’000 Franken. Aber es ist wichtig, dass sich die Mitarbeiter der verschiedenen Restaurants kennen und austauschen», sagt er. Das schaffe Synergien und Solidarität.

Gewinne immer reinvestieren

Obwohl Michel Péclard einst Buchhalter gelernt hat, sieht er sich und seinen ­Geschäftspartner nicht als Zahlenmenschen: «Wir haben noch nie für ein Lokal ein Budget erstellt.» Dafür würden sie monatlich die Abschlüsse kontrollieren. «So können wir schnell reagieren, wenn etwas aus dem Ruder läuft.»

Generell liege ihm viel daran, nahe am Tagesgeschäft zu sein. «Wir statten den Betrieben täglich einen Besuch ab», sagt Péclard. Es sei wichtig, dass die Mitarbeitenden die Chefs spürten. Sein Rezept scheint zu funktionieren. Während in den letzten Jahren immer mehr Restaurants schliessen mussten, hat Péclard eine Beiz nach der anderen eröffnet. Selbst etablierte Gastrokonkurrenten attestieren ihm eine gute Nase fürs Geschäft.

Aktuell versucht er, seinen ältesten Sohn in seine Erfolgsgeheimnisse einzuweihen. Dieser soll einst mit Weber zusammen das Business übernehmen. Eine wichtige Erkenntnis, die er den beiden auf den Weg gibt: «Gewinne immer sofort reinvestieren.» Nur so bleibe man innovativ. Was ist denn sein nächstes Projekt? «Ein Restaurant, an dem acht Kleinproduzenten aus der Region beteiligt sind.» Damit will Péclard die lokalen Landwirte und Hersteller unterstützen. Denn der Preisdruck beelende ihn. «Für eine von Hand gepflückte Schale Erdbeeren kriegt der Bauer nicht einmal 4 Franken. Das ist doch absurd.»

Gibt es sonst noch etwas, dass er sich einmal leisten möchte? «Ich würde gerne ein Hotel übernehmen. Aber ich glaube, ich habe zu wenig Geld dafür», lacht Péclard wieder sein kerniges Lachen. Doch wer ihn so reden hört, ist sich ­sicher, dass es wohl nicht nur beim ­Träumen bleiben wird.

Erschienen in 2018

Leseproben